Hamburg: Moorburg-Fernwärmetrasse

Der Artikel versucht die 10 am häufigsten gestellten Fragen zu der Vattenfall-Fernwärmetrasse leicht verständlich zu beantworten.
Die hier behandelte Bauplanung soll in der Ausführung 3-4 Jahre dauern und (bisher) 190 Mio. € kosten. Ohne sie kann Moorburg, zumindest im jetzigen Sachstand nicht wie geplant ans Netz gehen.
Wir setzen voraus, dass den LeserInnen bekannt ist, dass das geplante Kohlekraftwerk Moorburg ein Klimakiller erster Güte wäre, der Konzern Vattenfall ausschließlich auf eigene Profite orientiert und auch bewusst übergeht, dass sich eine große Mehrheit in der Stadt ganz eindeutig gegen Moorburg ausgesprochen hat.

Quelle: http://de.indymedia.org/2009/04/248626.shtml von „Gruppe Elchtest“

Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert.

Zu den Fragen und Antworten:
1) Welche technische Funktion hat die Fernwärme für das Kraftwerk?

Sie dient als Ergänzung für die Kühlung. Diese soll in erster Linie aber von der Süderelbe übernommen werden. Hier beträgt die geplante Kühlwasserentnahme binnen 2 Stunden den gesamten Wasserbestand der Außen- und Binnenalster, welcher um dann 10° erwärmt zurück geführt würde. Die Auflagen der Stadt begrenzen aber die Erwärmung der Elbe im gesamten auf „nur“ 3° gegenüber der Durchschnittstemperatur. Vattenfall verklagt zurzeit die Stadt Hamburg wegen gerade dieser Auflagen, weil dann ja bis zu 250 Tage nur „gedrosselt“ betrieben (und verdient) werden kann. Die Fernwärmeauskopplung ist für Vattenfall in der jetzigen Planung eine unverzichtbare Ergänzung um diese 3° Auflage im Betrieb erst später zu erreichen. Die Fernwärmeleitungen bestehen im Fall Moorburg aus Vor- und Rücklauf mit jeweils 90 cm Innendurchmesser. Der Vorlauf hätte dann eine Temperatur zwischen 70° und 130° und das bei 18 bar Druck.

2) Welche ökonomische Relevanz hat die Fernwärme aus Moorburg für Vattenfall?

Ganz einfach: Das Kraftwerk rechnet sich für Vattenfall nur mit dem Verkauf der Fernwärme von dort. Vor allem dann, wenn die oben erwähnte 3°-Auflage ohne die Fernwärme deutlich schneller greifen würde. Wichtig für Vattenfall auch: Damit wären Hamburgs Fernwärmeverbraucher über Jahrzehnte von Moorburg als Quelle abhängig. Und damit Hamburg als Region an Vattenfall gebunden.

3) Braucht Hamburgs Fernwärmenutzer denn die Trasse/ Moorburgleitung?

Eindeutig nein: Vielmehr sind Vattenfalls Bedarfszahlen und Prognosen erlogen. Dies weist eine Analyse von „rettet die Elbe“ aus http://www.rettet-die-elbe.de/2kapitel/22_vattenfall_luegen.html.
Die Alternativen zu Moorburg wären kleinere Gas – Heizkraftwerke mit einer deutlich besseren CO2-Bilanz, kürzeren Wegen und weniger Abhängigkeit an einen Standort bzw. Anbieter.

4) Was hat das denn dann mit dem Hybrid – Kühlturm auf sich?

Dieser ist ganz neu von Vattenfall in die Öffentlichkeit gebracht worden. Und zwar um endlich Planungssicherheit zu bekommen und um unabhängiger von einer technisch funktionierenden Fernwärme zu werden. Dadurch würde die Elbe deutlich weniger belastet werden müssen und Hayduks Umweltauflagen wären vom Kern her erfüllt. Allerdings würde sich die CO2-Bilanz wesentlich verschlechtern, da diese Kühlung erheblich Energie verbraucht. Der Kühlturm würde ca. 80 Mio. € weitere Kosten verursachen. Wahrscheinlich stellt sich Vattenfall vor, dass diese von Hamburg oder dem Bund (mit) getragen werden. Schließlich hat der Konzern beide zu (angreifbaren) Prozeßgegnern gemacht. http://www1.ndr.de/nachrichten/dossiers/kohlekraft/moorburg166.html

5) Wie kann man sich den Tunnelbau unter St.Pauli vorstellen?

Geplant ist ein Tunnelbau von ca. 4m Durchmesser und das ca. 20m unter den Häusern in St.Pauli. Die Technik wird als Schildvortriebsverfahren bezeichnet und wurde auch beim U-Bahn-Tunnelbau in Köln eingesetzt. Das Verfahren ist üblich, jedoch wird das Untergraben von Wohnhäusern grundsätzlich vermieden. In Köln, wo kürzlich das Stadtarchiv wegen des U-Bahntunnelbaus eingestürzt ist gibt es einen besonders kritischen Untergrund, in St.Pauli allerdings auch. Insbesondere der sog. Geesthang am Elbufer ist ausgesprochen instabil. Hinzu kommt eine vor allem durch die schon vorhandenen Sammelsiele sehr perforierte Geologie im Stadtteil. Schäden durch Tunnelbauten können auch in vielen Jahren später durch „Nachsackungen“ auftreten und sind dann schwer zuzuordnen. Wichtigster Schwerpunkt der geplanten Mega-Baustelle wird der Parkplatz direkt vor den Häusern der Hafenstraße sein. Hier endet die Norderelbe – Querung und beginnt der Tunnel unter St.Pauli. Dieser endet an der Kreuzung Simon-von-Utrecht Straße/ Holstenstraße. In nächster Zeit müsste Vattenfall eigentlich loslegen und ein sog. „Beweisfeststellungsverfahren“ in den oberhalb der Trasse befindlichen oder angrenzenden Gebäuden durchführen, damit vorhandene Risse dokumentiert werden (und nicht etwa dem Konzern angehängt werden könnten). Bewohnern dieser Häuser ist dringlich zu raten sich in Mietergemeinschaften zu organisieren und sich konsequent zu verweigern.
Ein Ausschnitt von der Trassenführung gesamt ist im Titel angehängt.

6) Und wie verläuft die Trasse weiter in Altona?

Ab Anfang der Holstenstraße geht’s dann weiter im offenen Graben bis hin zum Haferweg (beim S-Bahnhof Diebsteich in Altona Nord). Dafür ist eine Baugrube von ca. 10 x 5m erforderlich. Zusätzlich überall entlang der Trasse: Baustelleneinrichtungen. In der Planung auch enthalten: Fällung von 350 Bäumen, wovon ein Großteil auch nicht ersetzt werden soll, bzw. kann. Während in St.Pauli die Baustelle oberirdisch komprimiert an nur 2 Stellen vorgesehen ist, „rockert“ Vattenfall in Altona einmal quer durch den Stadtteil. Parks werden zerstört, der Verkehr bricht unausweichlich zusammen. Das einrammen der Spundwände für den Grabenbau ist insofern besonders problematisch, als das sich an den meisten Stellen vor dem Krieg noch Gebäude befanden und das Erdreich entsprechend voll mit Fundamenten und Trümmern ist – das rummst dann richtig…. Lärm, Verlust an Lebensqualität, Konflikt in unmittelbarer Nachbarschaft als auch Gefahr für die angrenzenden Häuser/ Wohnungen – und das über 3-4 Jahre werden Realität. Die Trasse geht ausschließlich an Sozialbauten entlang – ganz offensichtlich ausdrücklich so geplant. Keine Bildungsbürger-Strasse mit BI-Potenzial oder ein linkes Wohnprojekt oder sonst ein Szene – Scherpunkt werden direkt betroffen gemacht. Vattenfall hat an alles gedacht.

7) Hängt die Trassenplanung mit dem sog. Grünzug – Masterplan zusammen?

Zumindest verläuft beides im Abschnitt bis zum Bhf. Holstenstraße durch dieselben Parks und Straßen. Auch haben die Landschaftsplaner Meyer Schramm Bontrup nicht nur einen der beiden ersten Preise bei der Ausschreibung für den Grünzug gewonnen, sondern auch für Vattenfall die Detail – Planung geleistet. Siehe den Anhang „Trasse Altona“ im Titel. Logisch ist auch, dass nach der Trassenbaustelle eine Umwandlung des jetzigen Grünzugs erheblich einfacher würde, da die Parks dann ohnehin schon kaputt sein dürften. Vattenfall hat insofern auch Interesse an einer Grünzug-Neuplanung, als das Ihnen dann das Verschwinden der bisherigen Parks nicht alleine angelastet werden kann. Siehe auch http://www.gruenzug-altona.de/

8) Wie ist das Verhalten der Bezirkspolitik?

Die Bezirksversammlung Altona hatte in 2007 noch einstimmig gegen das Kohlekraftwerk an sich gestimmt – wohlgemerkt ohne jede Relevanz. Als es jedoch um die Fernwärmeleitung ging wurde zugestimmt mit dem Hinweis, dass Fernwärme ja unabhängig vom Kraftwerkstyp Sinn machen würde. Ansonsten hat das Fachamt für Wirtschaft und Verkehr in Altona Vattenfall die Auflage erteilt eben durch die Parks hindurch zu verlegen – ursprünglich wollte Vattenfall über die Holsten- und Kielerstraße gerade durch verlegen. Dies hätte aber über Jahre hinweg den kompletten Verkehrsinfakt im Hamburger Westen bedeutet. Ansonsten hat der Bezirk 1,5Mio € Ausgleichszahlungen vom Konzern gefordert – für Vattenfall Peanuts.
Der Bezirk Mitte bot Anfang des Jahres die Fläche vor der Hafenstrasse den beach-clubs an – offensichtlich ohne zu wissen, dass diese Vattenfall bereits lange angepachtet hat (peinlich).

9) Was, wenn Hayduks angekündigte Stadtwerke tatsächlich in 2014 – wie angekündigt das Fernwärmenetz zurückkaufen?

Hierbei wurde ja betont, dass dann die Fernwärme nur von Klima – verträglichen Erzeugern abgenommen werden soll. Konsequenter Weise müsste dann Moorburg wieder vom Fernwärmenetz abgekoppelt werden – falls denn die Leitung bis dahin überhaupt fertig wurde. Dann wären mal eben rund 200Mio € im wahrsten Sinne in den Sand gesetzt worden, St.Pauli sinnlos unterbuddelt und Altonas Parks umsonst zerstört worden. Deutlich wahrscheinlicher ist, dass Hamburg zum einen gar kein Geld für den Rückkauf der Netze hat und Vattenfall sich das „Recht auf Profit“ auch schon wieder einklagen wird. Die Stadtwerke werden eine reine Propagandastory bleiben– schon mal erst Recht dann, wenn die Fernwärmetrasse realisiert wird.

10) Kann Moorburg an der Fernwärmetrasse noch gestoppt werden?

Zumindest kann Widerstand zu einer erheblichen Verzögerung führen und damit Vattenfall sehr viel Geld kosten. Der Konflikt um den Klimawandel wird sich so oder so weiter zuspitzen. Genauso wie der von Vattenfall vs. Hamburg und linke Bewegung. Vattenfall wird noch in diesem Jahr versuchen Krümmel und Brunsbüttel wieder anzufahren – hier werden die Proteste zurzeit immer stärker. Gleichzeitig zerrt der Konzern die Klimaaktivisten vom Klimacamp vor Gericht. Wer sich – wie Vattenfall überall Feinde schafft überzieht aber am Ende möglicherweise. Dazu könnte ein entschlossener und breit angelegter Widerstand gegen die von der Struktur her sehr angreifbare Fernwärmetrasse sogar den Ausschlag geben. Dafür muss in die Köpfe, dass es eben gegen Moorburg und Vattenfall und eben nicht nur um vermeidlich harmlose Fernwärme geht. Moorburg wird durch die Fernwärmeauskopplung nicht besser, sondern bleibt ein Klimakiller. Der Konzern hat auch keine Berechtigung weder die Häuser in St.Pauli durch den Tunnelbau zu gefährden, noch 350 Bäume in Altona zu fällen.
Aus Verantwortung für unser Klima und auch den Stadtteil ist es dagegen geradezu erforderlich, dass sich Anwohner und Aktivisten dem Trassenbau massiv in den Weg stellen und Vattenfall am Ende scheitert. Das Ergebnis ist aus heutiger Sicht durchaus offen.

Siehe auch http://de.indymedia.org/2009/03/243172.shtml

Hamburg, 28.4.09 Gruppe Elchtest

Ein Gedanke zu „Hamburg: Moorburg-Fernwärmetrasse“

  1. Köln und St.Pauli zu vergleichen ist schon großer Tobak! In Köln war es eine tiefe offene Baugrube ohne Betonsohle die zum einsturz des Stadtachiv geführt hat, dies mit den Schildvortrieb zu vergleichen ist Volksverdummung und Panikmache. Sind den bisher durch die vorhandenen Tunnelbauten (S-Bahn u. Siel) unter St.Pauli schon Schäden aufgetreten?
    Ich kann ja verstehen das man Hausbesitzer eher zur Verweigerung der Untertunnelung bekommt mit einen möglichen Einsturz ihres Haues als mit paar Millimeter Rissen.
    Und wer gegen Moorburg ist, sagt ganz einfach „Nein“ nicht unter meinem Haus. Und ob es in St.Pauli genügen käufliche Eigentümer gibt wie in der Hafenstraße wird man sehen. Vom Chaoten bis zum Geldgierigen Pfeffersack ist es jedenfalls in Hamburg nicht weit

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert